Kannst Du Gefühle ertragen?

In der Gesellschaft soll Integration, Toleranz und Inklusion von Vielfalt gelebt werden. Doch das ist nicht nur bei menschlichen Kulturen von Bedeutung, sondern auch bei unseren Gefühlen!
Von klein auf bekommen die meisten Kinder beigebracht, dass sie zu lächeln haben. Nur wenn Du lächelst bist Du richtig! 
Ein Kind fällt hin, tut sich weh und weint. Was machen die meisten? Das Kind und den Schmerz nicht beachten, das Kind vom Schmerz ablenken, einen Witz machen, damit das Kind nicht weint und vergisst dass es weh tut.
Vielleicht hat das Kind das Bedürfnis getröstet oder in den Arm genommen zu werden? Egal, das Kind soll nicht weinen. Basta!

Ich hatte meine Tochter in den Arm genommen, als sie von der Bank gerutscht ist und sich böse den Kopf an der Holzkante gestoßen hatte. Sofort kamen von außen die Reaktionen und Vorwürfe, dass ich mein Kind verhätschle. Dann kamen die gut gemeinten Ratschläge: „Am besten beachtet Du sie nicht, dann hört sie schneller auf zu weinen und ist schnell wieder „normal“ und „unauffällig“ oder lieb.“
Wenn ein Kind einen Wutanfall bekommt, weil es enttäuscht ist, dass es ein Spielzeug gerade nicht bekommt, dann sage nicht: „Das ist doch nicht so schlimm, da sind doch andere Spielsachen!“ Oder: „Ich will, ich will, ich will…, ich will auch so vieles! Jetzt finde Dich damit ab!“, sondern beachte das Bedürfnis des Kindes! 
Spreche das Gefühl an und das Bedürfnis und sage beispielsweise: „Ich bemerke, dass Du enttäuscht bist! Du hättest so gerne mit dem Spielzeug gespielt.“ Dann käme sicher ein trauriges ja, und dann könnten wir das Kind auf ein anderes Spielzeug lenken. Das ist Emotionsregulation.
Wenn ein Kind die beste Freundin „verliert“, weil diese in die Schule kommt, dann sage ich nicht: „Du findest neue Freundinnen“, sondern fühle mit und sage, dass es okay ist traurig zu sein und dass es ein schwerer Abschied ist.

In der frühen Kindheit lernen wir die ersten unterschiedlichen Gefühle wahrnehmen. Doch wenn in der Gesellschaft nur eines aller Gefühle willkommen ist und wir immer glücklich sein sollen, geben wir den anderen Gefühlen keine Daseinsberechtigung und versuchen diese zu verdrängen.
Wäre es nicht viel besser, wenn wir unseren Kindern beibringen, wie sie mit Gefühlen umgehen können? Aufzeigen, dass alle Gefühle wie Wut, Trauer, Enttäuschung, Angst und Freude sein dürfen. Dass wir sie ertragen und aushalten können. Und dass wir bei einer Emotion den weiteren Verlauf beeinflussen können.

Wenn Du mit Deinen Gefühlen umgehen kannst, nennt man das Emotionsregulation. Der Umgang mit Gefühlen kann trainiert werden. Gelernt haben die meisten, sich zu betäuben oder abzulenken, wenn negative Gefühle auftreten. Das kann durch Essen sein, durch Drogen oder die Flucht in virtuelle Welten. Doch danach kommt weder Glück noch Freude, sondern eine Gleichgültigkeit oder ein weiteres negatives Gefühl.

Vielleicht ging es Dir auch schon so, dass Du traurig warst und Dich über jemanden oder etwas geärgert hast. Das Gefühl war unerträglich für Dich. Und dann hast Du ein Glas Wein oder Bier getrunken oder ein Eis gegessen und dann warst Du etwas glücklicher. Du hast mehr gegessen und mehr getrunken und dann war die negative Emotion weg. Aber am nächsten Tag war ein anderes Gefühl da. Ein Gefühl des Versagens. Jetzt startet die Kaskade der Selbstvorwürfe. Alles was Du als Kind zu hören bekommen hast, wirfst Du Dir selbst vor. Und danach bist Du nur noch ein Häufchen Elend.
Der Alltag muss weiter gehen, also lenkst Du Dich mit Arbeit oder einer anderen Beschäftigung ab, bis wieder ein Vorfall kommt. Und so geht das Leben weiter.

Ich kenne viele Menschen, denen es so geht. Einige erarbeiteten sich viel Geld und glaubten damit glücklich zu werden. Andere hungern sich bis auf die Knochen runter, in der Hoffnung einen Traummann zu ergattern und das Leben von nun an glücklich weiterleben zu können. Andere kaufen sich ein teures Auto oder ein großes Motorrad, und suggerieren so nach außen, dass ihr Leben super toll ist. Doch in vielen Menschen sieht es im Inneren komplett anders aus, als es nach außen scheint.

Im Prinzip wollen wir doch alles das gleiche: Glücklich sein!

Das Wort GLÜCK kommt von GELINGEN. Wir können kein Glück finden! Wir können es uns aber selber bauen. Aber nur wenn wir auch die anderen Gefühle zulassen, kann Freude kommen. 
Wenn Du immer gewinnst und Du immer alles ohne Mühe schaffst, ist die Freude doch lange nicht so groß, wie wenn Du das Gefühl des Scheiterns,  und die Anstrengung auf dem Weg erlebt und wahrgenommen hast.
Was wäre der Tag ohne die Nacht? Der Frühling ohne den Winter? 
Wir haben alle Gefühle in uns und jedes einzelne ist wichtig. Keines sollte permanent im Vordergrund sein, denn jedes Gefühl hat seine Daseinsberechtigung und deutet auf ein erfülltes oder ein unerfülltes Bedürfnis hin!

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